Eigentlich habe ich mich schon lange gefragt, was es mit diesen Poetry-Slams auf sich hat. Ich hatte so meine Vorstellungen: Hobby-Poeten, die sich gegenseitig epische Texte um die Ohren hauen und der Lauteste gewinnt? An sowas in der Art dachte ich. Ich lag wohl falsch.
Am vergangenen Mittwoch war es nun so weit und ich machte mich auf zum „Shoe Slam“ bei Shoes & More in der Halterner Innenstadt. Der Eintritt war frei. Für die Gäste standen Stühle bereit, der Halterner Hobby-Imker Patrick Kramer (Hell Bee Honey) begrüßte die Gäste mit Gratisproben seines selbstgemachten Honigweins. Gummibärchen lagen aus. Das ist schon mal ein guter Einstieg, dachte ich.

Stephan Sandkühler moderierte durch den Abend
Kurz nach 19:30 Uhr waren fast alle Stühle besetzt und dann ging es auch schon los. Der Halterner Autor Stephan Sandkühler moderierte durch den Abend und gestaltete den Einstieg so, dass auch Poetry Slam-Einsteiger wie ich kapierten, worum es geht: Die Slammer lesen nacheinander Texte. Was da kommt ist stiloffen und immer eine Überraschung. Nach dem Lesen eines Textes wird mittels gehobener Hände vom Publikum abgestimmt: Keine Hand, eine Hand oder zwei Hände. Der Slammer mit den meisten Händen gewinnt am Schluss.
Im Anschluss las Sandkühler selbst sein eigenes Werk. Quasi zur Einstimmung, bevor die eigentlichen Slammer, die aus ganz NRW stammten, zur Wort kamen. Diese waren: Floriach Eichhorn, Christofer mit f, Elly und die Alpha Witches. Die Alpha Witches traten als Frauen-Duo auf.


One-Night-Stand eines Lateinlehrers
Die einzelnen Slammer präsentierten Texte völlig unterschiedlicher Genres. Christofer mit f, der auch im wirklichen Leben Lateinlehrer ist, witzelte über die Klischees seines Berufes. Mit einer mitreißenden Geschichte über den One-Night-Stand eines Lateinlehrer-Nerds, brachte er das Publikum zum Lachen. Das war schon fast Standup-Comedy – und ein wirklich sehr unterhaltsamer Einstieg in den Slam.

Sozialkritischer Tobak
Aber es gab nicht nur leichte Kost. Elly stellte, aus der eignen Perspektive einer jungen Studentin, die aus schwierigen Familienverhältnissen entstammt, die Armut in Deutschland und den gesellschaftlichen Druck in den Fokus. Das war schon etwas anderes. Zu lachen gab es hier wenig. Es war ruhiger im Publikum.



Alpha Witches warben Mitglieder für ihrer Sekte
Die Alpha Witches versetzen sich auf einer sehr ironischen Art in die Rolle einer PR-Veranstaltung einer Frauensekte. Das war schon fast theaterreif. Gekonnt wurden die Annehmlichkeiten der Alpha Witches – wie u.a. gemeinsames nacktes Menstruieren im Wald – mit viel femininer Selbstironie vorgetragen. Das kam offensichtlich besonders gut an – denn die beiden jungen Frauen durften den Schuh-Pokal zum Schluss mit nach Hause nehmen.

Im Terzett mit Florian Eichhorn
Ein besonderes Highlight war zudem der vorgetragene Text von drei Slammern. Die Alpha Witches und Florian Eichhorn haben einen frischen Text das erstmal auf der Bühne zu dritt gemeinsam performt.
Nein, das war keine leichte Unterhaltung!
Ich habe mich an dem Abend gut unterhalten gefühlt – allerdings auf hohem Niveau. Nein, leichte Feierabendunterhaltung war das nicht. Das war kein Rockkonzert, wo „viel denken“ eher fehl am Platz ist und man an seinem Bier nuckelt. Bei einer solchen Veranstaltung wird man gefordert: zuhören, konzentrieren, auf die Texte einlassen, um sich von den Slammern mit auf eine genreoffene linguistische Reise nehmen zu lassen. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen.
Neue Termine für Freunde Poetry, Slams und Lesungen
Der nächste Poetry Slam ist am 08.04.2026 im Schuhhaus Schämann an der Weseler Straße. Wer bis dahin nicht warten kann. Christofer mit f und Stephan Sandkühler werden am 18.10. im Vitus-Haus einen Poetryabend gestalten – eine Art Soloprogramm zu zweit. Der freiwillige Eintritt geht an den Verein Vitus.
Zudem wird, wie in jedem Jahr, eine weihnachtliche Lesung am 27.11.2025 bei Shoes & More und am 03.12.2025 in der Buchhandlung Kortenkamp stattfinden.


